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VRR-Tarifreform: Sozialer Rückschritt statt Mobilitätswende

VRR-Tarifreform: Sozialer Rückschritt statt Mobilitätswende

Die NaturFreunde Essen-West/Ost sehen die geplante Tarifreform des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) ab 2025 sowie die Zustimmung der Stadt Essen dazu mit großer Besorgnis. Insbesondere die Streichung der Kurzstrecke, die massive Preiserhöhungen für viele Alltagsfahrten bedeutet, wird von uns scharf kritisiert. Diese Entscheidung ignoriert die Bedürfnisse der Menschen, die den ÖPNV für kurze Strecken nutzen und auf bezahlbare Mobilität angewiesen sind.

Kurzstrecke: Ein unverzichtbares Angebot wird gestrichen

Die Streichung der Kurzstrecke ab dem 1. März 2025 ist ein herber Einschnitt für viele Fahrgäste. Die Kurzstrecke bot bislang eine günstige Möglichkeit, wenige Haltestellen zurückzulegen – sei es für Senior:innen, die zum Arzt oder zum Einkaufen fahren, oder für Menschen, die kurze Wege zur Arbeit, Schule oder Freizeitangeboten bewältigen. Bisher kostete ein Kurzstreckenticket 1,80 Euro. Künftig müssen Fahrgäste für dieselbe Strecke den regulären Tarif der Tarifzone zahlen, der aktuell bei 3,10 Euro liegt – eine Preissteigerung von über 70 Prozent. Für Gelegenheitsfahrer:innen und insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen ist dies ein schwerer Einschnitt.

Diese Änderung steht im krassen Widerspruch zum Ziel, mehr Menschen für den öffentlichen Nahverkehr zu gewinnen. Kurzstreckenfahrten sind oft der Einstieg in die regelmäßige Nutzung des ÖPNV. Wird diese Option unattraktiv, werden viele Fahrgäste auf Alternativen wie das Auto ausweichen – ein klarer Rückschritt für die Mobilitätswende.

Barrieren statt Teilhabe: Preiserhöhungen und Digitalisierung

Zusätzlich zur Streichung der Kurzstrecke plant der VRR ab Januar 2025 eine allgemeine Preiserhöhung um 5,5 Prozent und eine Reduktion der Preisstufen von sieben auf drei. Diese Vereinfachung wird vielfach als Verschlechterung empfunden, da sie gerade für kurze Strecken in einer Zone zu deutlichen Mehrkosten führt. Das trifft besonders jene, die nur gelegentlich den ÖPNV nutzen – darunter viele Senior:innen oder Menschen mit knappen finanziellen Mitteln.

Gleichzeitig werden neue digitale Ticketangebote eingeführt, die zwar zeitgemäß erscheinen, aber ältere Menschen oder technikferne Bevölkerungsgruppen ausschließen. Der Zugang zu Tickets wird damit für viele nicht einfacher, sondern schwieriger. Die Digitalisierung des Ticketangebots ist nur dann sinnvoll, wenn analoge Alternativen uneingeschränkt erhalten bleiben.

Die Verantwortung der Stadt Essen

Die Zustimmung der Stadt Essen zu diesen Maßnahmen zeigt eine bedauerliche Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen der Bürger:innen. Die Entscheidung wirkt kurzsichtig, da sie soziale und ökologische Aspekte der Mobilität vernachlässigt. In einer Zeit, in der die Mobilitätswende als zentraler Baustein der Klimapolitik gefordert wird, hätten wir von der Stadt Essen erwartet, den Interessen der Menschen mehr Gewicht zu geben – insbesondere derjenigen, die auf einen bezahlbaren ÖPNV angewiesen sind.

Die NaturFreunde Essen-West/Ost erwarten, dass die Stadt Essen sich ihrer Verantwortung bewusst wird. Ein bezahlbarer, barrierefreier und sozial gerechter ÖPNV ist keine Kür, sondern eine Notwendigkeit. Die Mobilitätswende gelingt nur, wenn sie allen Menschen offensteht – unabhängig von Alter, Einkommen oder digitaler Kompetenz. Die Streichung der Kurzstrecke und die Zustimmung zu weiteren Preiserhöhungen stellen in diesem Zusammenhang einen klaren Widerspruch zu den Zielen einer sozialen und ökologischen Verkehrspolitik dar.

Es liegt an der Stadt Essen und den anderen Kommunen, sich für einen Nahverkehr einzusetzen, der die Menschen nicht ausschließt, sondern sie einbindet. Das erwarten wir – und das schulden die Verantwortlichen ihren Bürger:innen.

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